Progressive Muskelentspannung
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist eine etablierte Methode, um den Körper zu einer ganzheitlichen Erholung und dem Stressabbau zu bewegen. Statt gezielter Techniken, die mehr Gelassenheit fördern, arbeitet jenes Verfahren allerdings mit einer gewollten Anspannung verschiedener Muskelgruppen, damit der Organismus intensiver entspannt werden kann. Schon seit Generationen erfreut sich das Konzept großer Beliebtheit und wird im Wellnesssektor sowie in Verhaltenstherapien praktiziert. In dem Zusammenhang entstanden die außergewöhnlichen Entspannungsübungen bereits Anfang des 19. Jahrhunderts.
Progressive Muskelrelaxation – Tiefenentspannung mit Individualität
Hinter dem Begriff progressive Muskelentspannung, auch PME genannt, verbirgt sich ein alternatives Entspannungskonzept, welches auf der beabsichtigten An- sowie Entspannung der Muskulatur basiert. Ziel ist es, sämtliche Muskeln des menschlichen Körpers auf diese Weise in eine Tiefenentspannung zu versetzen, die weit über gewöhnliche Entspannungsprozesse hinausgeht. Der Ablauf wird dafür vorgegeben und darf für die Wirksamkeit nicht verändert werden.
Eine progressive Muskelrelaxation, wie die Vorgehensweise ebenfalls betitelt wird, begünstigt nicht nur jene Entspannung, sondern unterstützt die Person ebenso bei einer verbesserten Wahrnehmung des eigenen Körpers und dem Erlernen von gewollter Muskelentspannung. Ursprünglich geht diese alternative Methodik auf Edmund Jacobson zurück, denn der amerikanisch-stämmige Professor beschäftigte sich in dem frühen 19. Jahrhundert viel mit den Funktionen der Muskulatur sowie deren Zusammenspiel mit mentalen Disharmonien und der Muskelverspannung. Dadurch entdeckte er, dass sich eine willentlich hervorgerufene Tiefenmuskelentspannung nachhaltig auf einen gesunden Organismus auswirken kann. Er belegte diverse Studien zu den physiologischen Körperspannungszuständen und konnte die Verbindung zwischen starker Muskelverspannung mit körperlichen oder psychischen Dysbalancen präsentieren.
1938 folgte dazu seine erste daraus resultierende Entspannungstechnik, die progressive Muskelentspannung. So wird auch die Bezeichnung deutlich, denn progressiv steht hierbei symbolisch für die voranschreitende Entspannung der gesamten Muskulatur, welche durch bewusste Anspannungen entstehen kann. Letztere ist diesbezüglich dominant genug, sogar die Muskelpartien positiv zu beeinflussen, welche sich nicht bewusst steuern lassen, darunter Muskeln des Magen- und Darmtraktes. Jacobson optimierte sein Konzept fortwährend und fügte den Erkenntnissen immer neue Resultate zu.
Darauf aufbauend gelang es PMR, sich einen festen Platz unter den Entspannungsübungen zu sichern, die im Wellnessbereich gleichermaßen angewandt werden wie in der Physiotherapie oder psychotherapeutischen Sitzungen. Das Fundament bilden stets die Muskelgruppen und deren Entspannung nach einem klaren Prinzip.
Leitgedanke PMR – Tiefenentspannung Anleitung mit System
Wie bereits oben erwähnt beruht das Verfahren der progressiven Muskelrelaxation auf dem Wechsel aus An- und Entspannung aller Skelettmuskeln für die mentale und physische Erholung. Dazu integrierte Jacobson zu Beginn etwa 30 der vorhandenen Muskelgruppen und vollzog nach und nach eine progressive Relaxation, bis alle Bereiche unter das normale Entspannungslevel gesunken waren. Es finden sich heutzutage aber auch Varianten mit 16 Muskeln oder sogar nur vier Muskelpartien. Jene Methode erfordert allerdings viel Übung und fachliches Können.
Die Wirkung des Prozederes lässt sich dabei als komplex bezeichnen, denn die Tiefenentspannung nach Jacobson wird nicht primär durch die Spannungsübungen hervorgerufen. Auch die verbesserte Wahrnehmung des Unterschieds zwischen stark verspannter Muskulatur und erholten Muskeln dient als Prävention für den Patienten. Schließlich kann er dadurch in Zukunft schneller erkennen, wann eine Verspannung vorliegt und jene rechtzeitig behandeln. Die Durchblutung wird in den betroffenen Muskeln verstärkt und die Person verspürt eine wohltuende Entkrampfung.
Auf lange Sicht betrachtet resultiert daraus eine leichtere Steuerung der Entspannung, was den Stresspegel senkt und zugleich andere Disharmonien sowie psychische Probleme lindert. Nicht umsonst konnte sich die progressive Muskelrelaxation als Behandlung bei Angststörungen behaupten und neben dem autogenen Training zu einem der bekanntesten Entspannungsverfahren avancieren.
Tiefenentspannung erlernen – PMR für veränderte Wahrnehmung
Jacobson hatte schon früh erkannt, wie eng die seelische Belastung und körperliche Defizite miteinander verbunden sind und dazu die progressive Muskelrelaxation erfunden. Die Effizienz des Verfahrens wurde mehrfach überprüft, wobei die progressive Muskelentspannung von einer unterstützenden Verhaltenstherapie zu einem autonomen Konzept werden konnte. Gerade die einfache Anwendbarkeit und der relativ große Effekt, der daraus resultiert, machten die Entspannungsübungen zu einer der praktikabelsten Methoden.
Diese wurde auch von anderen Gelehrten wie dem Psychiater Wolpe aus Südafrika weiter erforscht und verbessert. Dadurch erkannte die Wellness- und Gesundheitsbranche außerdem, wie einflussreich eine Tiefenentspannung für den Organismus ist. Die Eigenschaften, die einen stressfreien Körper kennzeichnen, sind dabei klar definiert. Eine gleichmäßige Atmung, die entspannte Körperhaltung, Vitalwerte im Normbereich und ein aktiver Parasympathikus sind nur einige der Charakteristiken, die ein erholter Mensch besitzt.
PMR setzt genau an diesen Merkmalen an und versucht, sichtbare sowie seelische Defizite durch die schmerzfreien Übungen in eine solche Tiefenentspannung umzuwandeln. Mit Erfolg, denn rund vier Monate aktive Progressive Muskelentspannung verringert über 70 % vorherrschender Angstzustände, Muskelverkrampfungen oder Beklemmungsgefühle, mehr als 60 % der Konzentrationsstörungen, Kreislaufprobleme oder Kopfschmerzen und schafft Raum für mehr Gelassenheit sowie neue Motivation. Sie bildet somit neben autogenem Training ein wichtiges Element unter den Entspannungstechniken mit Nachhaltigkeit.
Wenngleich viele Forschungsergebnisse hierzu belegen konnten, dass die Tiefenentspannung nach Jacobson einen hohen Mehrwert hat, darf sie aber nicht als Allheilmittel verstanden werden. PMR ist lediglich eine Prävention oder Therapiebegleitung, ersetzt jedoch nicht die medizinische Behandlung durch einen Facharzt. Andernfalls könnten erhebliche Risiken damit verbunden sein. Erst die fachgerechte Anwendung bringt positive Resultate zum Vorschein. Die beziehen sich dann auf eine umfassende Wirksamkeit.
Positive Eigenschaften der Muskelentspannung – Erholung auf ganzheitlicher Ebene
PMR wirkt präventiv, therapiebegleitend oder auch rehabilitativ, insofern posttraumatische Ereignisse behandelt oder muskuläre Probleme nach Unfällen verbessert werden sollen. Das Verfahren ist frei von Nebenwirkungen, lässt sich leicht erlernen und überall anwenden, während die Wirkung meistens schon nach wenigen Trainingseinheiten auftritt.
Einige der zahlreichen Symptome, bei denen die Muskelentspannung hilft, sind:
- eingeschränkte Körperwahrnehmung
- Verkrampfungen, Schmerzen oder Verhärtungen der Muskulatur
- innere Unruhe mit Herzrasen, Zittern oder starkem Schwitzen
- Stress und Angstattacken
- chronische Rückenprobleme
- dauerhafte Schlafstörungen
- arteriell-bedingte Hypertonie
- Impotenz
- neurotische Fehlhaltungen
- Hypermotorik
Die progressive Muskelrelaxation unterstützt auch Pseudo-Schmerzen dabei, zu verschwinden, wirkt sich auf Infekte, Asthma oder Hautkrankheiten aus und dient ebenfalls als optimale Geburtsvorbereitung.
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Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Psychotherapie in puncto Desensibilisierung. Hier konnte sich die Muskelentspannung als sanftes Verfahren gegen Phobien behaupten. In Ergänzung dazu lassen sich körperliche und seelische Beschwerden mittels PMR leichter lokalisieren und therapieren. Obwohl die Methode infolgedessen risikoarm und für viele Zielgruppen geeignet ist, gibt es einige Krankheitsbilder, bei denen die Tiefenentspannungsübungen nicht angewandt werden dürfen.
Gegenanzeichen für Entspannungsübungen – mit Achtsamkeit zur Therapie
Im Allgemeinen ist die progressive Muskelrelaxation eine Anwendung ohne negative Begleiterscheinungen. Darum sind die eventuellen Kontraindikationen auch nicht klar definiert. Fest steht aber, dass die Tiefenentspannung nach Jacobson bei Patienten mit starken psychotischen Zuständen, schweren Muskelkrämpfen sowie vorliegenden Muskelerkrankungen besser vermieden werden sollte.
Genauso ist es bei Menschen mit akuter Lumbago, einer stark ausgeprägten Herzinsuffizienz oder entzündlichen Prozessen, die mit Fieber sowie schwerem Krankheitsverlauf einhergehen. Zudem dürfen hyperaktive oder motorisch beeinträchtigte Kinder keine progressive Muskelentspannung absolvieren, weil ihnen das Verständnis und die Ruhe für korrekte Übungen fehlen. Bezogen auf Migräne wirkt PMR zwar lindernd, solange das Verfahren als Prävention in Anspruch genommen wird. Direkt vor einem Anfall könnten die Entspannungsübungen aber zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen.
Falls degenerative Probleme vorliegen oder bei einer Person nicht klar feststeht, ob die progressive Muskelentspannung wirklich geeignet wäre, empfiehlt es sich, im Vorfeld mit einem Arzt Rücksprache zu halten. Dies verhindert Nebenwirkungen und hilft außerdem dabei, die Behandlung explizit auf den Patienten abzustimmen. Ferner wäre es angemessen, bei Patienten auf die korrekte Ausübung von PMR zu achten. Gerade eine zu starke, einseitige oder zu lange Anspannung der Skelettmuskulatur zieht häufig Schmerzen sowie Verhärtungen nach sich. Die Übungszusammenstellung präsentiert sich im Zuge dessen äußerst vielfältig.
Progressive Muskelrelaxation Übungen – Vielseitigkeit für Tiefenentspannung
Bei PMR liegt der Fokus auf der Anspannung bestimmter Muskelgruppen in festgelegter Reihenfolge. Erst jener Ablauf fördert die Wirksamkeit. Dazu gibt es für jede Muskelpartie unterschiedliche Fitnesseinheiten, mit denen die starke Anspannung und die darauffolgende Entspannung erfolgreich gelingen.
Entgegen mancher Vermutungen nutzt die progressive Muskelrelaxation nämlich nicht eine identische Übung für jeden Muskel, denn so können nicht alle Skelettmuskeln mit derselben Effizienz therapiert werden. Immerhin sind die Armmuskeln anders aufgebaut als die Bauchmuskulatur oder die Gesichtsmuskeln. Aus dem Grund stellt ein erfahrener Therapeut seinen Patienten für jeden Körperabschnitt eine andere PMR-Version vor.
Die Gängigsten sind:
- Beuge- und Streckübungen für Oberarm, Hand, Fuß und Bein
- Zusammenziehen und Lösen der Schulterblätter, Bauch, Finger und Zehen
- Aufeinanderpressen der die Lippen
- Zusammenbeißen der Zähne
- Öffnen und Schließen der Hände
- Stirnrunzeln
Welche Übungen bei der Tiefenentspannung nach Jacobson letztlich zum Einsatz kommen, orientiert sich auch an dem Patienten, dessen Beschwerden und der körperlichen sowie mentalen Vitalität. Gleichzeitig muss der Experte die Aufnahmefähigkeit und die Intensität der Mitarbeit durch den Patienten bedenken. Ein Mensch mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen kann komplexe Übungen von PMR nicht problemlos durchführen. Deswegen bietet die Anwendung stets einen gewissen Spielraum für individuelle Abwandlungen der progressiven Muskelrelaxation. Die grundlegenden Fakten sollten jedoch in der Praxis eingehalten werden.
Tiefenentspannung Anleitung – Schritt für Schritt zur Muskelentspannung
PMR erfordert nicht nur einen fachkundigen Therapeuten, die Methode setzt ebenfalls Geduld und aktive Mithilfe voraus. Das gesamte System stützt sich auf einen kontinuierlichen Lernprozess, bei welchem der Patient nach und nach versteht, wo die Unterschiede zwischen verspannten und lockeren Muskeln liegen oder wie sich jene Entkrampfung auf Abruf erzielen lässt.
Oftmals wird die progressive Muskelentspannung mit anderen Tätigkeiten verglichen, die erst erlernt und kontinuierlich geprobt werden müssen, bevor sie die Person beherrscht, darunter das Autofahren. Nur regelmäßige Übung führt bei PMR zu einem dauerhaften Wandel des Stressverhaltens und der Muskelspannung. Im Idealfall trainieren die Patienten zu Beginn täglich die Wahrnehmung und bewusste Anspannung/Entspannung, damit sich der Vorgang automatisieren kann. Intervalle von 6 Wochen sind hierzu empfehlenswert. Der Patient muss zudem stets darauf bedacht sein, mit einem positiven Gefühl aus einer Situation zu treten, bis PMR reibungslos gelingt. Sonst verknüpft die Psyche damit etwas Negatives und spannt sich unterbewusst an.
Der Ablauf lässt sich wie folgt zusammensetzen:
Schritt 1:
Der Therapeut kümmert sich um ein stimmungsvolles Ambiente in einem gut durchlüfteten, optimal temperierten Raum. Die Atmosphäre, in welcher geübt wird ist sehr wichtig, denn je gelassener die Person der Behandlung entgegentritt, desto größer sind die Erfolge.
Schritt 2:
Der Patient nimmt eine entspannte Haltung ein. Generell darf PMR im Sitzen und Liegen stattfinden, wobei eine ausgestreckte Haltung zu Beginn einfacher ist. Sie unterstützt eine bessere An- und Entspannung, allerdings sollten Sie im Sitzen geübt werden, so dass der Betroffene später in jeder Alltagssituation darauf zurückgreifen kann.
Schritt 3:
Die Muskelrelaxation startet mit der rechten Hand und arbeitet sich von den Armen bis zum Gesichtsbereich, zur Nackenpartie, über den Rücken, zur Bauchmuskulatur und schlussendlich Bein- sowie Fußregion vor. Dabei berücksichtigt der Therapeut drei Regeln: Anspannen, Halten und Lösen der Verspannungen.
Schritt 4:
Der Patient spannt daraufhin seine Muskeln so intensiv wie möglich an. Währenddessen sollte er keine Schmerzen spüren. Es gilt es für den Patienten, die Körperspannung in dem Muskelbereich ungefähr sieben Sekunden zu halten und dabei gleichmäßig ein- und auszuatmen.
Schritt 5:
Die Anspannung wird abrupt gelöst. Dieser Vorgang wäre vergleichbar mit einer gespannten Bogensehne, die für das Abschießen des Pfeils direkt losgelassen wird. Nun folgt eine Muskel-lockerung für ca. 30 Sekunden. Daraufhin findet derselbe Ablauf für jede Muskelgruppe statt.
In der Regel sollten Rechtshänder zunächst die rechte Körperhälfte durch PMR beanspruchen, Linkshänder hingegen die linke Seite, denn die Muskeln mit der größeren alltäglichen Belastung müssen bei der Muskelentspannung im Vordergrund stehen. Trotz allem empfiehlt es sich, beide Körperhälften zu trainieren und die gesamte Zeit über die eigenen Empfindungen zu beobachten. Dadurch gelingt es, den Entspannungseffekt wie in einer Kettenreaktion auf jede folgende Muskelgruppe zu übertragen, zusätzliche Entspannungsverfahren des Organismus einzuleiten und darauffolgend den Herzschlag, Blutdruck oder Atmung zu verlangsamen.
Nach längerer Übung wird die Muskelrelaxation dann auf andere Emotionen wie zum Beispiel Angst oder Wut projiziert. Der Sinn ist, dass der Patient lernt, sich im Alltag in sämtlichen Situationen bewusst zu entspannen, sobald er mit den bestimmten Gefühlen konfrontiert wird.
Am Ende sollte die progressive Muskelentspannung nach Jacobson viele positive Veränderungen auf mentaler und körperlicher Ebene fördern, die den Patienten nachhaltig in seinem Tagesablauf bereichern.
Dies zeigt sich am stärksten bei Personen mit vorhandenen Stresssymptomen, Verkrampfungen und psychischen Erkrankungen. Wie viele Muskeln der Therapeut in PMR integriert, bleibt dazu offen und lässt sich je nach Experte, Patient, Technik sowie Krankheitsbild anpassen.
Deswegen ist die progressive Muskelentspannung ein individuelles Verfahren der Erholsamkeit, bei welchem der Körper mittels gesteuerter An- und Entspannung lernt, seine innere Ausgeglichenheit sowie seine physische Stabilität zu erhalten.
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